Gepostet 9 April 2024

Als Hobbyanwalt Verbraucherverträge (Strom/Gas) via § 312 k Absatz 6 Satz 1 BGB sonderkündigen - ein Erfahrungsbericht

Ich habe im letzten Jahr (im Oktober) einen neuen Gasvertrag abgeschlossen - preislich bei knapp 9,5 Cent pro kWh. Damals mit Neukundenprämie ein gutes Angebot.

Mittlerweile nicht mehr; preislich liegen wir nun bei gleicher Grundgebühr etwa bei 6,5 Cent pro kWh und somit ist mein Altvertrag ca 1/3 zu teuer. Bei Laufzeitverträgen eigentlich relativ doof - glücklicherweise gibt es neuerdings (seit 07/2022) den neuen § 312 k BGB.

Dieser besagt: "eine Bestätigungsschaltfläche enthält, über deren Betätigung der Verbraucher die Kündigungserklärung abgeben kann und die gut lesbar mit nichts anderem als den Wörtern "jetzt kündigen" oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung beschriftet ist".

Weiter heißt es: "Die Schaltflächen und die Bestätigungsseite müssen ständig verfügbar sowie unmittelbar und leicht zugänglich sein".

Sofern ein solcher Kündigungsbutton nicht vorhanden ist, gibt euch dann § 312 k Absatz 6 Satz 1 BGB die Möglichkeit eine Sonderkündigung auszusprechen. Bei einer (Sonder)-kündigung handelt es sich, bekanntermaßen um eine einseitige Willenserklärung.

Mein Gasunternehmen ist ein kleiner lokaler Player aus der Nähe von Berlin, der ein solchen Button natürlich nicht auf seiner Website implementiert hatte. Es gibt/gab zwar ein Kündigungsformular, dieses lässt sich jedoch nicht nutzen (konnte nicht abgesendet werden).

Somit:
1) Kein Kündigungsbutton vorhanden (Anmerkung: insb. klare Beschriftung fehlt(e))
2) Funktion defekt und nicht leicht auffindbar (konnte nur über die Suche aufgefunden werden.

Dementsprechend gibt meinerseits aus genau dieses Grund eine Sonderkündigung Ende Februar raus. Ich fand es spannend, zu sehen, "wie weit" man kommt:

"Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit kündige ich meinen Vertrag sofort, gemäß meines Sonderkündigungsrechtes nach § 312 kAbsatz 6 Satz 1 BGB.

Sie haben auf ihrer Website keinen rechtskonformen Kündigungsbutton nach § 312 k BGB hinterlegt.Ein Kündigungsformular ist zwar über die Suche auf ihrer Seite abrufbar, jedoch lassen sich darüberkeine Daten senden. Demnach erfüllen sie in keiner Form die gesetzlichen Mindestanforderungen.

Bitte senden Sie mir eine schriftliche Kündigungsbestätigung unter Angabe desBeendigungszeitpunktes zu. Eine Kontaktaufnahme Ihrerseits zum Zweck der Rückwerbung ist nichterwünscht. Ich bitte Sie höflich, davon abzusehen".

- Der Anbieter antwortet ca. 10 Werktage später:

"vielen Dank für Ihre E-Mail.

Ihre Kündigung vom 28.02.2024 lehnen wir ab, da ein Sonderkündigungsrecht lt. Vertragsbedingungen nicht besteht.

Der nächstmögliche Kündigungstermin ist der 01.10.2024".

- Fand ich natürlich nicht so dolle. Ich schreibe erneut und diesmal etwas "frecher". Diesmal mit Fristsetzung:

"Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für Ihre Rückmeldung.

Leider scheint Ihnen im Unternehmen juristische Expertise zu fehlen. Auch eine Sonderkündigung ist eine einseitige Willenserklärung und bei gegebenem Grund, wie hier vorliegend, auch nicht abzulehnen.

Gerne bespreche ich die Angelegenheit in einem kurze Telefonat mit Ihrer Rechtsabteilung und informiere Sie kostenfrei über die neusten Gesetzesänderungen. Ich beziehe mich, wie bereits in der initialen Kündigung kommuniziert, auf das Gesetz § 312k BGB.

Gemäß § 312k Absatz 2 BGB sind Sie verpflichtet mir als Kunde einen Kündigungsbutton im sichtbaren Bereich Ihrer Website anzubieten. Dieser Button muss mit den Worten "Verträge hier kündigen" bzw. eines anderen eindeutigen Wortlautes gekennzeichnet sein (anbei ein Beispiel wie man es richtig löst, siehe E.ON).

Sie haben keinen Kündigungsbutton auf Ihrer Website. Das Kündigungsformular was in Ihrer Suche auffindbar ist defekt und lässt sich nicht absenden.

Nach § 312k Absatz 6 BGB bin ich deshalb, aufgrund des fehlenden Kündigungsbuttons, zur sofortigen Kündigung meines Vertrages befugt.

Scheinbar wollten oder konnten Sie sich bis jetzt nicht an geltendes Recht halten. Diesbezüglich biete ich Ihnen, wie bereits angesprochen an, die Sache mit mir gütlich zu klären. Bei Rückfragen erreichen Sie mich jederzeit unter der XXX. Ich appleriere zugleich an Sie die Angelegenheit ohne die weitere Instanzen zu klären, da sonst Mehrkosten für Sie fällig werden würden.

Sollte die Angelegenheit bis Di. 05.03.2024 nicht geklärt sein, werde ich die Angelegenheit an die Schlichtungsstelle Energie zu Klärung weiterleiten. Sie sind gemäß Gesetz zur Teilnahme an dem Schlichtungsverfahren verpflichtet. Sollte bei der Schlichtungsstelle kein für meine Seite akzeptables Ergebnis erzielt werden, wird die Angelegenheit ohne weitere Kenntlichmachung an meinen Rechtsbeistand übergeben".

- Gefühlt kommt drei Wochen keine Antwort. Dann lenken Sie ein:

"bitte entschuldigen Sie die verspätete Bearbeitung Ihrer Anfrage. In den vergangenen Wochen gab es ein erhöhtes Aufkommen an Kundenanfragen, so dass uns die zeitnahe Beantwortung nicht immer möglich war, wir holen dies hiermit gern nach.

Den Vorgaben des Gesetzes für faire Verbraucherverträge sind wir durchaus nachgekommen.

Damit allen Kunden, auch denen ohne Kundenportal, die Kündigung ermöglicht wird, wurde der Kündigungsbutton auf der Kündigungsseite XXX eingebunden.

Ungeachtet dieser Tatsache, verweisen wir auf unsere vorangehende Antwort. Gemäß der zu Ihrem Vertrag geltenden Bedingungen besteht kein Sonderkündigungsrecht aufgrund unserer Information zur Entwicklung der Erdgasumlagen und -abgaben und damit einhergehenden Steigerung des Verbrauchspreises.

Um Ihnen dennoch entgegen zu kommen, bieten wir Ihnen an, den Vertrag vorzeitig zu beenden. Teilen Sie uns dazu bitte den Kündigungstermin mit".

Somit bin ich nun raus aus dem Vertrag. Preislich lohnt sich das für mich natürlich sehr - ca. 150 EUR ist der neue Vertrag nun günstiger. Natürlich gab es den Button, von dem in der letzten E-Mail gesprochen wurde noch nicht, lässt sich auch lustigerweise an der Beschriftung erkennen.

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Natürlich keine Rechtsberatung
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26 Kommentare

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  1. PrimeTime's Profilbild
    wie so oft - Dreistigkeit siegt - aber im Prinzip hat er natürlich auch recht, wenn die Möglichkeit nicht gegeben war, was wir hier schlecht nachvollziehen können. Ist aber auch sehr gut formuliert.
  2. blubdidup's Profilbild
    Oder... Wie fucke ich einen Sachbearbeiter so ab, dass er die Akte nur schließen möchte
    moritz100's Profilbild
    Autor*in
    Glaub mir, darin bin ich gut.
  3. Turaluraluralu's Profilbild
    "Ich appleriere" stammt ethymologisch eindeutig aus Cupertino.
  4. Streuselkuchen's Profilbild
    Hat mich unterhalten, danke.
  5. Coffeechino's Profilbild
    47089753-Kvxdr.jpg
  6. ernstbrina's Profilbild
    Danke für diesen informativen und durchaus lustigen Beitrag. Werde ich bei Bedarf nutzen. Gibt ja einige Websites ohne Button.
    quak1's Profilbild
    Dann halte dich aber an die üblichen Regelungen für Fristsetzungen. Sonst ist die Forderung schnell für die Katz.
  7. jannie911's Profilbild
    Anzeigenhauptmeister bist du es?
    schopper2's Profilbild
    Hat sein Aufgabenfeld "erweitert". Aber dennoch coole Sache und danke für die Geschichte.
  8. Pyranya's Profilbild
    TL;DR
    dani.chii's Profilbild
    War trotzdem interessant zu verfolgen
  9. MrBrightside's Profilbild
  10. tobor's Profilbild
    Erinnert mich an den Tanz mit FXFlat.
    Prämie für eine gewisse Anzahl Trades versprochen und "vergessen", da Microlots auszunehmen. Begründung - das Trading von Microlots wurde erst später eingeführt.
    War ein ziemlicher Tanz mit Fristsetzung, Ombudsmann usw. bis der (4stellige) Bonus kam.

    Die Krönung: für zweite Person eröffnet und es kam direkt, dass es nicht gehe. Die Aktionsseite wäre nicht mehr online (über genau die wurde aber abgeschlossen). Auf ersten Widerspruch "aber die Aktionsseite ist nirgends verlinkt". Dann wurde sie offline genommen.



    Oder Flexstrom.
    Kündigung wurde abgelehnt. Man hätte keine Faxnummer. Hatte die als Sparfuchs per Fax geschickt.
    Nachdem ich denen belegt habe, dass die Faxnummer auf deren Website steht, eingelenkt.
    Aber sehr kurzfristig (Folgewoche) und der beauftragte Wechsel war anbieterseitig bereits storniert, da Anschluss nicht freigegeben.
    Die Krönung: die wollten mit Inkasso die Jahresrechnung eintreiben, obwohl die (Monate später erstellte) Schlussrechnung keine Forderung hergab. Für die minimale Differenz habe ich dann die Mehrkosten der unnötigen Grundversorgung eingefordert.
  11. meandmycat's Profilbild
    Ich liebe solche Spitzfindigkeiten. Da hast du denen aber gehörig in den Hintern getreten.
    Ich finde es aber schade, dass es hier ein kleineres Unternehmen trifft. Diese sind juristisch nicht so gut aufgestellt, wie die großen Unternehmen. Wenn die am Ende schließen müssen, schadet das nur allen Verbrauchern.
    Chatham's Profilbild
    Inwiefern entsteht denn Verbrauchern ein Schaden, wenn sich auch ein "kleineres Unternehmen" ans Gesetz halten muss? Das Gegenteil ist der Fall!
  12. levces's Profilbild
    Gut gemacht
  13. Multion's Profilbild
    soll ich das auch mal probieren?
  14. Innuendo's Profilbild
    Gute Leistung
    Manche Unternehmen sind dermaßen dreist, dass sie es nicht anders verdient haben. In solchen Fällen fordere ich auch gerne immer eine Datenvollauskunft nach Art. 15 DSGVO an. Wenn sie die Vollauskunft nicht fristgerecht und vollständig zur Verfügung stellen, gibt es Ärger. (bearbeitet)
    DerMatti's Profilbild
    Könntest die frechen Unternehmen auch per negativer Feststellungsklage ärgern
  15. Zoggi's Profilbild
    Coole Story! Einfach mal machen 🏻
  16. gapwot's Profilbild
    Good Job. Wer sich nicht an Regeln hält, muss es dann halt eben anders "spüren".

    Finde ich gut, wenn man Unternehmen so dann dazu bringt, auch korrekt zu handeln und z.B. solche Buttons einzubauen.

    Zumindest haben die ja scheinbar dann wegen dir, den Button eingebaut
  17. moritz100's Profilbild
    Autor*in
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    Update: Schadensersatz (Betrag zwischen tatsächerlicher Kündigung und Beendigungsdatum zahlen Sie mir). Die drägen sehr auf eine Beendigung ohne Fallkostenpauschale - das kostet glaube ich richtig Geld. (bearbeitet)
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